Liebe Schweizer Bevölkerung
Mein Name ist Jan Honegger (28), ich arbeite als Fachmann Gesundheit (100%) in einem Alters- und Pflegeheim. Ich spüre durch die Medien und den Menschen mit denen ich bei meiner Arbeit in Kontakt trete, sehr viel Solidarität, Respekt und Verständnis für meine Arbeit. Im Frühling 2020 wurde für uns geklatscht und applaudiert. Ich weiss, diese Aktion bekam sowohl gleichermassen negative, wie auch positive Rückmeldungen aus dem Gesundheitswesen. Auch ich habe gesagt: "Damit kann ich meinen Lebensunterhalt nicht bewältigen.". Aber was könnt ihr denn gross dafür, für unsere Arbeitsbedingungen?
Im grossen und ganzen versagt hier die Politik schon seit mehreren Jahren! Denn wir machen schon lange auf die untragbaren Zustände in der Pflege aufmerksam. Die Schweizer Bevölkerung welche keinen Bezug zu diesem Beruf hat, kann sich auch schlecht ein Bild davon machen, wie es wirklich aussieht. Deshalb möchte ich mit diesem offenen Brief Aufklärung betreiben.
Da uns auch wieder durch die Politik bei der Pflegeinitiative vom "Schweizer Berufsverband für Pflegefachpersonen (SBK)" Steine in die Wege gelegt werden, sind wir jedoch stark von euch - liebe Schweizer Bevölkerung - abhängig. Bisher habt ihr uns grossartig Unterstützt wo ihr konntet, dafür bin ich persönlich sehr dankbar! Vorallem moralisch spüre ich eine sehr starke Unterstützung.
Es kann sein, dass die Pflegeinitiative vor's Volk kommt. Und dann wird es wirklich Wichtig für jeden einzelnen Stimmbürger, noch einmal solidarisch zu sein. Und das nicht nur für uns aus der Pflege. Nein, diese Initiative betrifft uns alle!
Nachfolgend habe ich unsere drei für mich wichtigsten Hauptanliegen aufgelistet und konkret beschrieben.
Bessere Ausbildungsbedingungen
Nach der dreijährigen Lehre, muss man noch ein zwei- bzw. dreijähriges Studium absolvieren, während dem man voll eingesetzt wird, die volle Verantwortung trägt und weiterhin das absolute Minimum verdient. Wir fordern einen höheren Ausbildungslohn. Denn viele müssen ihren eigenen Lebensunterhalt finanzieren können und das schreckt einige davon ab, das Studium zu starten. Und es braucht dringend Dipl. Pflegefachpersonen HF, denn bis im Jahr 2030 fehlen uns 65'000 Pflegefachpersonen!
Höhere Pflegequalität
Damit die gut ausgebildeten Pflegefachpersonen dann auch im Beruf bleiben, benötigen wir dringend eine gesetzlich vorgeschriebene max. Anzahl an Personen, für die wir zuständig sind. Das bedeutet wiederrum auch höhere Personalschlüssel. Denn pro Jahr steigen ca. 2'400 Pflegende aus dem Beruf aus und darunter ist ein drittel unter 35! Ausserdem muss jede Handlung welche wir durchführen auch verrechnet werden können. Wir arbeiten immer noch viel zu oft gratis. Können diese Punkte nicht gewährleistet werden, gibt es mehr Unfälle, Fehler etc. was die Gesundheitskosten noch mehr in die Höhe treibt, als wenn die Betriebe mehr Pflegefachpersonen bezahlen müssten! Die Folgeschäden treiben die Kosten in die Höhe, nicht die Löhne des Personals.
Wertschätzung & Gesetze
Das Dienstpläne aufgrund des Personalmangels regelmässig geändert werden, manche bis 22:00 Uhr arbeiten, um am nächsten Tag wieder eine Frühschicht um 06:30 Uhr zu beginnen und dadurch die Arbeitsgesetze sehr oft nicht eingehalten werden, sollte verhindert werden. Denn die hohe BurnOut und Aussteiger Rate der Pflegepersonen hat auch viel damit zu tun. Durch den Pflegenotstand arbeiten wir zum Teil auch 6, 7 Tage durch, manchmal nur mit 1, 2 Tagen frei, um dann erneut einen solchen Block zu schieben.
Natürlich spielt auch der Lohn eine Rolle, wobei dieser bei den meisten Pflegenden überhaupt nicht an erster Stelle steht. Aber wenn nach 6 Jahren Ausbildung eine frisch diplomierte Pflegefachfrau HF knapp 5'200.- Brutto bei 100% verdient, läuft was gewaltig schief! Und diese Löhne sind Realität, nicht überall, nicht in jedem Kanton aber es gibt sie. Die Lohnaufstiegschancen sind auch sehr gering in diesem Beruf.
Wie Sie lesen können, läuft einiges schief in der Pflege. Stellen Sie sich vor, Sie brechen sich beide Beine, liegen im Krankenhaus, Sie müssen auf die Toilette und keiner kommt. Oder Sie sind alt, gebrechlich, leben in einem Altersheim und Sie haben Durst und keiner hat Zeit Ihnen etwas zu trinken zu reichen. Das sind nur zwei Beispiele, welche so im Pflegealltag in vielen Betrieben in der Schweiz regelmässig vorkommen, weil einfach zu wenig Personal vorhanden ist.
Deshalb betrifft die Pflegeinitiative auch Sie und ich hoffe sehr stark auch auf Ihre Unterstützung, wenn sie vor's Volk kommen sollte! Darüber wären wir Pflegepersonen alle mehr als nur dankbar. Zusammen können wir einiges erreichen, verändern und das Schweizer Gesundheitssystem stärken!
Freundliche Grüsse
Jan Honegger
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